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4. Lucius Burckhardt-Convention
Minimaler Eingriff und Spaziergangswissenschaft
Zum 100. Geburtstag

Kunsthochschule Kassel
Menzelstraße 13–15, D-34121 Kassel
27.–29. Juni 2025

Der Schweizer Soziologe Lucius Burckhardt wäre am 12. März 2025 hundert Jahre alt geworden. Wir feiern seinen Geburtstag an der Kunsthochschule in Kassel am letzten Wochenende im Juni. Lucius Burckhardt (1925–2003) und Annemarie Burckhardt (1930–2012) haben mit kritischem Blick und großer Weitsicht die Wahrnehmung und Gestaltung unserer Welt seit den 1950er Jahren geprägt. Vielen Studenten und Studentinnen in Europa – nicht nur in den entwerfenden Berufen – eröffneten sie neue Perspektiven. Beide waren von 1973 bis 1997 an der Universität Kassel im Fachbereich Architektur, Stadtplanung und Landschaftsplanung aktiv. „Wer plant die Planung?“, „Warum ist Landschaft schön?“, „Design ist unsichtbar“, „Durch Pflege zerstört“ oder „Der kleinstmögliche Eingriff“: Diese Burckhardt'schen Fragen und Formeln sind bis heute aktuell. Als Student kämpfte Lucius Burckhardt gegen die Zerstörung der gotischen Altstadt von Basel, die dem autogerechten Umbau weichen sollte. In den 1980er Jahren sprechen die Burckhardts von der Spaziergangswissenschaft, der Promenadologie oder englisch auch Strollology.

Der Intervento Minimo und die Spaziergangswissenschaft stehen im Fokus der Beiträge am Samstag, dem 28. Juni 2025 ab 9:30 im Hörsaal der Kunsthochschule Kassel. Es beginnt mit der Idee für eine neue Stadt mit dem Architekten und Schriftsteller Max Frisch und Lucius Burckhardt bis zur angewandten Spaziergangswissenschaft: Agglowandern und die Verwaltung en passant verändern. Der Tag endet mit Pasta, Salat und Wein. Der Eintritt ist frei!

Die Tagung und das Geburtstagsfest werden von Prof. Martin Schmitz und Studierenden des Fachbereichs Produktdesign ausgerichtet.

Freitag, den 27. Juni 2025, um 18 Uhr

Begrüßung der Geburtstagsgäste durch den Rektor Prof. Martin Schmidl, Filmausschnitt „31 Spaziergänge“, Work in Progress von Marie-Catherine Theiler und Jan Peters, Apéro & Börek vor/im Foyer der Kunsthochschule

Samstag, den 28. Juni 2025

9:30 Martin Schmitz

Begrüßung im Hörsaal der Kunsthochschule
Minimaler Eingriff und Spaziergangswissenschaft

10:00 Petra Hodgson

Vom genauen Hinschauen: Positionierungen, Einflüsse, Neuorientierungen im Werk von Max Frisch

Vom Vater, dem begabten Architekten Franz Bruno Frisch, hat Max Frisch die Freude am genauen Hinschauen mitbekommen. Spätestens der Bau des heute denkmalgeschützten Schwimmbades Letzigraben in Zürich veranlasste ihn zu zunehmend sozialkritisch-politischen Beobachtungen. In diesem Vortrag werden wesentliche Bausteine von Frischs Überlegungen und entscheidende äußere Einflüsse thematisiert, die ihn auf seinen Weg zu einem gesellschaftspolitisch motivierten Engagement in städtebaulichen Fragen und zur Bekanntschaft mit Markus Kutter und Lucius Burckhardt und deren gemeinsame Schriften „Wir selber bauen unsre Stadt“ und „achtung: die Schweiz“ geführt haben.

Kaffee / Imbiss

11:00 Nikolaus Wyss

Von der Sensation einer Wanderung durch den Alltag

1978 gründeten die beiden Schweizer Volkskundler Walter Keller und Nikolaus Wyss in Zürich die Zeitschrift „Der Alltag – Sensationen des Gewöhnlichen“. Wie der Titel schon sagt, stand das Unsensationelle und Alltägliche im Vordergrund, ein damals insofern kühnes Unterfangen, als es das Auffällige, das Berichtenswerte, die Geschichten, die unsern Alltag erst erträglich machen, ausließ und sich mit dem grauen Einerlei der Alltäglichkeit befasste, in einer Art allerdings, es als außergewöhnlich darzustellen. Die Ausdehnung der Aktivitäten rund um diese Zeitschrift bestand Jahre später darin, dass Wyss mit demselben Anspruch Spaziergänge durch Stadtgebiete anbot, die sich durch nichts Sehenswertes auszeichneten und deshalb der Aufmerksamkeit des Publikums normalerweise entzogen waren. Lucius und Annemarie Burckhardt nahmen von diesem Vorhaben amüsiert Kenntnis und ordneten es ihrer Disziplin der Promenadologie zu.

12:00 Jill Denton

Burckhardt in English?

Jill Denton hat die Bücher „Wer plant die Planung?“, „Warum ist Landschaft schön?“, „Design ist unsichtbar“ und „Der kleinstmögliche Eingriff“ von Lucius Burckhardt ins Englische übersetzt.

12:15 Eric Pfromm

Die Burckhardt-Methode: Das Erzählen von Geschichten
als Verfahren des Erkenntnisgewinns

Wenn die wissenschaftlichen Methoden sich in Naturwissenschaften (und zunehmend auch in den Geisteswissenschaften) hauptsächlich auf die Auswertung von Daten-Anhäufungen konzentrieren, so ist der Ansatz von Burckhardt grundlegend anders. Bei ihm wird die Wahrheit in der einzelnen Erzählung gesucht und gefunden. Es ist im Wesen eine gestalterische, also kreative Herangehensweise, die bereits in der Wahrnehmung beginnt. Die gewonnenen Einsichten werden dadurch substanzieller und relevanter. Ohne die Burckhardt'sche Beschäftigung mit dem Falschen und dem Echten lässt sich diese Methode des Welt-Verständnisses nicht anwenden. Aus diesen Überlegungen lässt sich die Frage entwickeln, was in Entwurf und Lehre von Lucius Burckhardt zu lernen ist.

13:00 –14:00 Mittagessen

14:00 Wolfgang Müller

Island: Handicap Schöne Landschaft

Die Vulkaninsel Island gilt, ähnlich wie die Alpen, seit der Romantik auf dem europäischen Festland als schön. Ab 1990 besuchte Wolfgang Müller jährlich das Land. „Das fremde Auge sieht mehr“, lautet ein (fremdenfreundliches) isländisches Sprichwort. Das fremde Auge trägt allerdings auch vorgefertigte Bilder im Reisegepäck. Diese Auseinandersetzung prägt sein Buch „Blue Tit – Das deutsch-isländische Blaumeisenbuch und „Neues von der Elfenfront – Die Wahrheit über Island“. Wolfgang Müller stellte die „Landschaftstheoretischen Aquarelle“ von Lucius Burckhardt in der Kreuzberger Galerie Eisenbahnstraße 1986 erstmals öffentlich vor. Ein Gespräch mit Martin Schmitz.

14:30 Francesco Careri / Patrick Düblin

Walkscapes. Ein Gespräch über das Gehen als ästhetische Praxis

In „Walkscapes – Walking as an Aestehtic Practice“ verbindet Francesco Careri mythische und prähistorische Perspektiven auf das Gehen mit Lehren aus den Exkursionen der Dadaisten, Surrealisten und Situationisten sowie den Werken amerikanischer Land-Art-Künstler. Das Buch erschien 2002 in einer englisch-spanischen Doppelausgabe, wurde elfmal neu aufgelegt und ins Französische, Italienische und Portugiesische übersetzt. Im Gespräch mit Patrick Düblin befragen die beiden die Genese, Popularität und Aktualität von Walkscapes und beleuchten den Zusammenhang mit Careris eigener Spaziergangspraxis mit dem Stalker-Kollektiv. (Das Gespräch findet auf Englisch statt.)

Kaffee / Imbiss

16:00 Anne Brandl, Anette Freytag, Caspar Schärer

Agglowandern jetzt! Verwaltung en passant verändern

Jetzt! heisst …
- den Zustand unserer urbanen Landschaft persönlich nehmen
- lernen (und lehren) durch Erleben statt nur durch Wissen.
- nicht nur denken, sondern auch spüren.
- Abstrakte Zusammenhänge im Alltag zu verankern.
- Teil-Habe nicht Informations-Habe.
- Erleben statt Erlebnis.
- durch Unaufgeregtes aufmerksam werden.
- Verantwortung übernehmen.

Verwaltungen en passant verändern, heißt …
- die Transformation in eine nachhaltige Gesellschaft dort anzusetzen, wo entschieden wird.
- Wandern als transformative Kraft für Institutionen zu begreifen.
- planen, steuern, kontrollieren, organisieren durch Erleben statt nur durch Wissen.
- Amtshierarchien zwischen Waldrand und Bordsteinkante zu verlieren.
- Die Macht von Traktanden mit Sonnenstrahlen, Bodenwellen und Alltagslärm brechen.
- …

17:00 Reinhard Franz

Die Predigt – Filmvorführung (25 Min.)

Nach der Einweihung des Fachbereichs Gestaltung, der 1993 seine Arbeit an der Bauhaus-Universität Weimar aufnahm, hielt Gründungsdekan Lucius Burckhardt auf Einladung des Studierendenpfarrers am 30.6.1994 eine „Predigt“ in der Weimarer Jakobskirche. Reinhard Franz verarbeitete den Anlass zum einzig existierenden Filmdokument eines kompletten Vortrages von Lucius Burckhardt.

18:00 Apéro, ab 19:00 Pasta, Salat und Wein

Sonntag, den 29. Juni 2025

11:00 Bertram Weisshaar

Spaziergang „sichtbar machen“, Treffpunkt Rathaus

NZZ 8. März 2025 - Anklicken
Marlowes 11. März 2025 - Anklicken