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Texte von Lucius Burckhardt

1. Städtebauliche Utopien - Was hindert ihre Verwirklichung? (1970)
2. Design ist unsichtbar (1980)
3. Promenadologische Betrachtungen über die Wahrnehmung der Umwelt und die Aufgaben unserer Generation (1996)

Städtebauliche Utopien - Was hindert ihre Verwirklichung? (1970)

Beginnend in den zwanziger Jahren, aber mit besonderer Intensität zwischen 1958 und 1968 haben die Architekten versucht, uns ein Bild der künftigen oder wünschenswerten Stadt zu entwerfen. Das Jahrzehnt dieser Utopien fand sein Ende in jenem Jahr 1968, das uns auf so vielen Gebieten Höhepunkte und Enttäuschungen gebracht hat. Die Serie der Utopien, auf welche wir zurückkommen wollen, endete mit dem Erstaunen darüber, dass von diesen vielen Vorschlägen, die von der technischen Seite keineswegs mehr utopisch sind, keiner verwirklicht wurde und dass das, was verwirklicht worden ist, selbst bei extravagantem Aussehen nicht die wesentlichen Eigenschaften und Neuerungen jener Utopien aufweist. Sogar bei Gelegenheiten, welche die Möglichkeit des Aussergewöhnlichen in sich bargen, wie der Weltausstellung 1967, fiel die Wahl auf ein im konventionellen Sinne avantgardistisches aber keineswegs utopisches Projekt: l'Habitat ´67 von Moshe Safdie. Das Jahrzehnt der Utopien mündet also ein in die Feststellung, dass die Entwürfe der utopischen Architekten nicht aus technischen, sondern aus soziologischen Gründen nicht verwirklicht werden können; es fehlt ihnen nicht die Realisierbarkeit, sondern die Beschliessbarkeit.
Mit der Beschlussfassung in urbanistischer Materie haben sich in der letzten Zeit viele Autoren beschäftigt; ich nenne hier Allen. A. Altshuler, Edward C. Banfield, Robert A. Dahl, Paul Drewe, Herbert J. Gans, Martin Meyerson, Klaus Offe, Dieter Prokop; diese Liste ist keineswegs vollständig. Die genannten Autoren beschäftigten sich entweder mit der politischen Theorie der Stadtplanung, oder sie untersuchten empirisch die Beschlussfassung über Planungen in bestimmten Städten und zogen daraus ihre Schlüsse. Wir erfahren etwas über das Spiel der Kräfte, über die Interessen der beteiligten Agenten und über die erreichten oder nicht erreichten planerischen Ziele. Wir erfahren aber wenig oder nichts über die inneren Voraussetzungen der am Planungsprozess aktiv oder passiv beteiligten Personen, die es ihnen erlauben oder verbieten, wesentliche Teile ihres städtischen Environments in einer Weise zu verändern, wie es den Absichten der Utopiker entspricht.
Um diese Voraussetzungen zu erkennen, bedürften wir einer Theorie der sozialen Realität der Stadt; wir müssten etwas wissen über die Erscheinungsform oder die Perzeption des städtischen Environments in der gesellschaftlichen Vorstellungswelt. Dazu müssen wir die Mechanismen, wie sie Peter L. Berger und Thomas Luckmann für die "Social construction of Reality" beschrieben haben, sinngemäss auf die Stadt anwenden. Wir müssten beschreiben, wie das "objektive" Bild der Stadt auf den Regeln ihrer Benutzung beruht, Regeln, die ihrerseits linguistisch vorgeprägt sind und die wir uns in langen Lernprozessen aneignen und später weitergeben. Dadurch entstehen hochgradig ineinander verwobene Komplexe, die planmässig und gesamthaft zu verändern grosse Mühe kostet, wiewohl sie durch die üblichen isolierten Einzeleingriffe leicht zu stören und in unerwartete Richtungen zu dirigieren sind.
Erst in jüngster Zeit haben sich Autoren Gedanken gemacht über das Erscheinungsbild der Stadt in der Vorstellungswelt des Benützers, also über den perzeptionellen und semiotischen Gehalt der Stadt. Wir nennen hier wiederum wahllos eine Liste: Roland Barthes, Umberto Eco, Renato de Fusco, Giovanni Klaus König, Kevin Lynch. Es ist das unbestreitbare Verdienst von Kevin Lynch, den weit in die Moderne hineinragenden klassizistischen Anspruch des Stadtbaukünstlers überwunden zu haben, indem Lynch empirisch untersuchte, an welchen Merkmalen der Stadt sich der durchschnittliche, künstlerisch nicht vorgebildete - oder verdorbene - Passant wirklich orientiert. Das Ergebnis dieser Untersuchungen war so katastrophal für die überkommene Architekturauffassung, dass wohl selbst Kevin Lynch nicht die entscheidenden Schlüsse daraus zu ziehen wagte. Vielmehr begann nun unter den Architekten das verhängnisvolle Bemühen, intensiv gestalthafte und darum memorierbare Bauformen an den wichtigen Merkpunkten der Stadt aufzustellen. Diese durchaus verkehrte Konsequenz aus einer richtigen Analyse entstand dadurch, dass sich Kevin Lynch nur mit dem optischen Aspekt, nicht aber mit der schwierigen Beziehung zwischen architektonischer Form und der ihr innewohnenden Bedeutung für die Benützer befasste.
Auf die Komplexität der Beziehung zwischen dem Darstellenden und dem Dargestellten auf dem Gebiete des Urbanismus machte sodann Roland Barthes aufmerksam, indem er darauf hinwies, dass es hier nicht einmal möglich sei, darstellendes und dargestelltes Zeichen und Bedeutung sauber zu unterscheiden. Es kann Bedeutung gewinnen, was gar kein Zeichen, ja nicht einmal ein sichtbares Objekt ist: der Autor verweist hier auf den unzugänglichen und infolgedessen sichtbaren, in einer ebenso zentralen wie verbotenen Zone der Stadt liegenden Kaiserpalast der Grosstädte des fernen Orients. In der Tat besteht das Environment des architektonischen nicht vorgebildeten Menschen zum grösseren Teil aus unsichtbaren als aus sichtbaren Dingen. Gesellschaftliche Verhältnisse, Regeln, Meinungen, Abhängigkeiten, ferner Preise, Tarife, Verpflichtungen und Vergünstigungen bestimmen das "Bild" der Stadt für den einfachen Benützer weit mehr als die Strassen, Plätze und Bauten. Der Städter, der seinen Verwandten auf dem Lande seine Wohnverhältnisse schildert, redet nicht von alten und neuen Bauwerken und Anlagen, sondern von Mietpreisen, Lohnhöhen, Steuern, Fahrkosten und von den fehlenden Parkplätzen - alles unsichtbare Dinge. Von dieser Seite her bestätigt sich das Aperçu des Marshall MacLuhan: "Environments are invisible".
Wenn wir uns also mit der Frage beschäftigen, weshalb die - technisch möglichen - Utopien nicht beschliessbar sind, müssen wir uns um diese soziale Erscheinungsform der Stadt in den Köpfen der aktiv oder passiv am Entscheidungsprozess beteiligten Personen kümmern. Sodann müssen wir untersuchen, welche Konsequenzen die Interaktion zwischen diesen Menschen aufgrund ihres Bildes der städtischen Umgebung hervorbringt, und schliesslich müsste darauf, aber das überschreitet die Möglichkeit des Schreibenden nun vollends, eine Hypothese aufgebaut werden, welche besagt, in welcher Art den Veränderungen der Stadt, die zugleich Lernprozesse bei den am Prozess Beteiligten wären, eingeleitet werden können. - Wenn wir den urbanistischen Entscheidungsprozess als eine Interaktion zwischen den Fachleuten, den Entscheidungsberechtigten und den Benützern der Stadt betrachten, so ergibt sich daraus die Möglichkeit, im Folgenden einige Bemerkungen zu den verschiedenen Ansatzpunkten einer Betrachtung zu machen.
Wohl im Gegensatz zu vielen Autoren, welche von einer fundamentalen Neuorientierung, ja geradezu einer Mutation des Menschen in der jüngsten Zeit sprechen, gehen wir davon aus, dass der Mensch sich im wesentlichen gleich geblieben ist, und dass sich auch seine Vorstellungswelt, allen technischen Einwirkungen zum trotz, nur langsam ändert. Gerade dieses gleichbleibende Verhalten des Menschen unter veränderten Umständen führt zu den Schwierigkeiten, an denen die Welt heute leidet: ein gleichbleibendes Fortpflanzungsverhalten unter anderen sozialen, produktionstechnischen und hygienischen Verhältnissen brachte die Bevölkerungsexplosion in der dritten Welt hervor; ein gleichbleibendes Verhalten in den wachsenden und sich mit Motorverkehr füllenden Agglomerationen erzeugte die Unwirtlichkeit der Städte, die Luftverschmutzung, die Verslumung, die Entmischung der Bevölkerung, die Gefährlichkeit gewisser Quartiere. Der Mensch hat seine Vorstellung von der Stadt eben nicht geändert, sondern benützt die Grosstadt in gleicher Weise wie sein Vater die fussläufige Mittelstadt und sein Grossvater das Dorf, selbstverständlich aber unter Verwendung der neu hinzugekommenen Transportmittel.
Auch die Abhilfe gegen die so entstandenen Übel der unwirtlichen Stadt orientiert sich an überkommenen Vorstellungen: Die Ziele des Eingreifens sind jenen - unzulänglichen - "Modellen" entnommen, die die Verfügungsberechtigten vom Funktionieren der Stadt haben. Die korrigierenden Eingriffe kommen also aus dem vorhandenen Repertoire und können aus dem Grunde nicht zum Ziel führen, weil sie das Übel selbst sind, das sie zu bekämpfen vorgeben. Diese Ziele variieren von Stadt zu Stadt je nach den Gesetzen und Verhältnissen, sind aber im wesentlichen die folgenden:

- Erhaltung und Ansiedelung kapitalkräftiger Firmen auf dem Stadtgebiet aus Steuergründen,
- eine dauerhafte Bauordnung im Interesse der Rechtsgleichheit,
- gute Wohnlagen für die guten Steuerzahler,
- günstige Zufahrten für die übrigen Arbeitnehmer,
- die Zufriedenstellung der Automobilisten,
- ein grosszügiges architektonisches Gesicht der Stadt durch bemerkenswerte städtische Bauten und Anlagen,
- Ruhe und Ordnung.

Wer wollte nicht zugeben, dass dieses die genannten gesunden Ziele unserer kommunalen Verwaltungen sind? Und wer wollte nicht gleichzeitig zugeben, dass die Eingriffe, die zur vermeintlichen Erreichung jedes dieser Ziele vorgenommen wurden, zur Aufhebung der anderen Ziele, oft auch seiner selbst und zudem vieler Annehmlichkeiten der Stadt führen? Die Komplexe, welche aus solchen kommunalen Massnahmen entstehen, nennen wir in Anlehnung der Sprache der Mediziner "Syndrome". Wir möchten die Erklärung dieser Syndrome aus der Interaktion der am Planungs- und Bauprozess beteiligten Instanzen erklären.
Ein besonderes Kapitel müsste dem Realitätsverständnis und dem daraus abgeleiteten Handeln des Architekten gewidmet sein. Der Architekt unserer Zeit ist in den meisten Fällen geprägt von den Traditionen der Avantgarde, wie sie sich in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts gebildet haben und in den fünfziger Jahren dann die Hochschulen eroberten. Diese Traditionen sind in sich keineswegs homogen, sondern durchzogen von inneren Widersprüchlichkeiten. Wir finden hier die Ideologie der Trennung der Funktionen ebensowohl wie die der Vermischung; wir finden die Begründung der durchgrünten und ausgedehnten Stadt ebensowohl wie die der Verdichtung. Wir finden das Lob der Mobilität, des leichten Gepäcks und des Existenzminimums ebensowohl wie das der auf den Leib geschneiderten, komfortablen und für das ganze Leben gebauten Villa. Dieses breite und verunklärende Spektrum hat zur Folge, dass bei den Architekten Begründungen für jedwede Massnahme immer rasch zur Hand sind, und dass mit diesem handlichen Begründungsjargon Manipulationen des Auftraggebers und des staunenden Publikums vorgenommen werden.
Die Ausbildung und die Praxis des Architekten trainieren ihn auf problemlösendes Verhalten, meistens nach dem Rezept des gordischen Knotens. Die dem Architekten gestellten Aufgaben sind so komplex, dass er sich eine intuitive Entkomplizierung, Vereinfachung der Aufgabenstellung angewöhnt. Er tritt gegenüber dem Auftraggeber als derjenige auf, der rasch Situationen erfasst, das Unwesentliche weglässt und über das Wesentliche befindet. Damit gewöhnt sich der Architekt eine Filtrierung der Phänomene an, er registriert nur die sogenannt wesentlichen Dinge, und damit ist sein Abbild der Welt erheblich verzerrt. Die Reduktion der Phänomene auf die "wesentlichen" hat isolierenden Charakter: sie produziert in Einzelmassnahmen vornehmlich Bauwerke, welche die Probleme der städtischen Umwelt lösen sollen.
Im folgenden soll nun gezeigt werden, wie dieser isolierende Charakter der Vorschläge des Architekten sich genau mit den Interessen und Vorstellungen des Politikers trifft: die Interaktion dieser beiden Entscheidungsträger auf dem Gebiete des Urbanismus` bewirkt, dass zwar vieles gebaut und vieles verändert wird, aber entscheidende Neuerungen nicht beschlossen werden können. Am Anfang steht die Kreierung der politischen Themen (Issues) durch den Politiker: unter den unzähligen möglichen Übelständen, die kreuz und quer ineinander verhängt sind, muss er einen herausgreifen, den er zur Bekämpfung vorschlägt und dessen Bekämpfung ihm zugleich politische Macht einträgt. Um den Übelstand zu bekämpfen, muss er ihn benennen, dazu muss er ihn auch aus seiner Verstrickung lösen und ihm einen abschliessenden Rahmen geben. Indem er aber den Übelstand benennt, determiniert er linguistisch schon die Art seiner Bekämpfung. Hier stösst der Politiker auf das Training des Architekten, für benennbare Übelstände Lösungen vorzuschlagen. Es bieten sich die traditionellen Themen der Architektur und Stadtbaukunst an, also die verschiedenen öffentlichen Gebäude, Strassen, Brücken, Plätze, Unterführungen und Verkehrsmittel. Der Architekt befriedigt mit seinen Lösungsvorschlägen das Bedürfnis des Politikers nach konkreten und präsentablen Vorlagen, denn bei der gegenwärtigen Bewusstseinslage der Parlamentarier und der Presse können diesen nicht komplexe Strategien, sondern nur konkrete Objekte präsentiert werden.
Die Vorlagen zur Abhilfe eines Übelstandes zeichnen sich also, wenn sie beschliessbar sein sollen, durch folgende Eigenschaften aus: es muss sich um "sichere" Vorlagen handeln, an ihnen dürfen keine zweifelhaften Teile sein. über welche sich nachdenkliche Debatten entwickeln könnten. Sichere Vorlagen aber sind solche, die sich schon in der Nachbarstadt (nicht) bewährt haben. Es muss sich außerdem um portionierte Vorlagen handeln, die einen Anfang und ein Ende haben und über die eine verbindliche Kostenschätzung erstellt werden kann. Die Kosten dürfen oder sollen sogar hoch sein, da grosse Kredite leichter erhältlich sind als kleine, sofern bewiesen werden kann, dass es nach "Vollendung" der Aufgabe keine weiteren Investitionen braucht. Die Vorlagen müssen also isolierten Charakter haben, sie müssen aus dem städtebaulichen Zusammenhang herausgerissen werden und rundherum wohl definiert sein: die Schulen dürfen nichts als Schulen, Rathäuser nichts als Rathäuser sein. In den nachfolgenden Einsparungsversuchen des kommunalen Parlaments werden den Bauten noch vollends jene Teile abgesprochen, die allgemeine Verwendbarkeit haben, sodass die Spezialisierung und Isolierung noch erhöht werden.
In seiner Eigenschaft als Wähler tritt auch das Publikum in diese Interaktion ein. Als erfolgreich gilt ihm ein Politiker, der sichtbare Massnahmen, also in der Regel Bauwerke, durch den Weg der Instanzen zur Verwirklichung hinziehen konnte. Als wenig oder gar nicht erfolgreich stünde ein Politiker da, der solche Massnahmen vermeidet, indem er die unsichtbaren Hebel der urbanistischen Maschinerie zu bedienen weiss, der mit anderen Worten, den eingleisigen Massnahmen mit scheinbar ewigem Charakter und doch so kurzfristiger Wirkung Strategien entgegensetzt, die begrenzte, aber doch verändernde Wirksamkeit ausüben.
Mit den obigen Abschnitten haben wir angedeutet, auf welche Weise der gegenwärtige Zustand unseres städtischen Environments entsteht und sich weiter festsetzt: nämlich durch eine Beschlussfassung, die sich - vereinfacht dargestellt - im Dreieck Politiker-Spezialist-Publikum vollzieht. Nehmen wir nun an, wir könnten von dieser Interaktion abstrahieren, es arbeite nur noch der Fachmann weiter und er dürfe seinem - auf der technischen Ebene - problemlösenden Training freien Lauf lassen: was geschieht? - Es entstehen eben die "Utopien". Die städtebaulichen Utopien sind die Perpetuierung der gegenwärtigen Denkweise der Architekten unter der Annahme der Befreiung von den gegenwärtigen gesellschaftlichen Beschränkungen. Utopisch sind die Utopien eben deshalb, weil diese Abstraktion von den beschlussfassenden Mechanismen utopisch ist.
Und deshalb führen uns die städtebaulichen Utopien nicht über die gegenwärtigen Probleme hinaus: weil auch ihre Verfasser ein gleichbleibendes (Entwurfs-)Verhalten unter veränderten Annahmen praktizieren. Die Utopisten gleichen jenen Futurologen, welche ungeahnten technischen Fortschritt prognostizieren, ohne die sozialen Rückwirkungen der von diesen hervorgebrachten Wirkungen zu bedenken und einzubeziehen. In gleicher Weise projizieren die Utopisten die Behebung eines einzelnen uns heute bedrückenden Übelstandes in die Zukunft: die Behebung dieses einen Übelstandes wird zu einem Issue, der alles Andere und oft auch den Übelstand selbst verewigen würde.
Die Tatsache des heutigen Verkehrsproblems führt zu Entwürfen, welche die Stadt zu einer so totalen Verkehrsmaschinerie ausbauen, dass wesentliche Freiheitsmomente der Stadt verlorengehen. Die Tatsache der Langfristigkeit und Trägheit der Umwandlung des steinernen Bestandes der Stadt führt zu Mobilitätsutopien, die solche Flexibilität offerieren, dass sie weder bezahlt noch auch nur in Anspruch genommen werden kann. Solche Utopien übersehen, dass feste Standorte nicht wegen der Steine der Häuser stabil sind, sondern aufgrund der unsichtbaren Ordnungen und Hierarchien, die sich um einen einmal gewählten Standort einstellen. - Der Künstler Chanéac fragte unlängst in der Zeitschrift "Moebius", ob wir Paris nochmals abreissen müssten, wenn Corbusier es abgerissen hätte und es heute aus den von Corbusier vorgeschlagenen Hochhäusern bestünde. Und Chanéac kommt zum Schluss, nein, wir müssten vielmehr lernen, diese Hochhäuser in gleicher Weise zu verändern, wie wir auch alte Städte umbauen müssten.
Der Sprung in die Utopie ist verhindert durch die Art der Beschlussfassungsprozesse der städtischen Gesellschaft, und das ist gut so: denn die Utopie selbst ist nichts als eine Ausgeburt dieser Beschlussfassungsweise, insofern sie von bestimmten Hindernissen abstrahiert. Was die Zukunft wirklich erfordert, wären strategische Veränderungen des städtischen Systems; die Voraussetzung dazu läge in einer Veränderung des bewusstseinsmässigen Modells, an welchen wir die städtebaulichen Massnahmen messen. Diese Veränderung setzt einerseits Stadtforschung, andererseits die Popularisierung der Resultate dieser Forschung voraus. Einige Autoren schlagen eine verfeinerte Sozialtechnik und Einwirkung auf die Beschlussfassenden Eliten vor, wir unsererseits meinen, es gebe nur die rückhaltlos offene Diskussion mit allen Beteiligten und Betroffenen.

In Englisch erschienen in: European Cultural Foundation (Hrsg.), Plan Europe 2000, Amsterdam 1970.
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Design ist unsichtbar (1980)

Natürlich kann man sie sehen, die Gegenstände des Design; es sind Gestaltungen und Geräte bis hinauf zum Gebäude und hinab zum Dosenöffner. Der Designer gestaltet sie in sich logisch und gebrauchsfertig, wo bei er gewisse äußere Randbedingungen annimmt: beim Dosenöffner die Beschaffenheit von Dosen. Der Designer von Dosen geht wiederum davon aus, wie die Dosenöffner beschaffen sind; dieses ist seine Randbedingung.
So kann man die Welt als eine Welt von Gegenständen auffassen und sie einteilen in - zum Beispiel - Häuser, Straßen, Verkehrsampeln, Kioske; in Kaffeemaschinen, Spültröge, Geschirr, Tischwäsche. Diese Einteilung hat Konsequenzen: Sie führt eben zu der Auffassung von Design, welche ein bestimmtes Gerät ausgrenzt, seine Außenbedingungen anerkennt und sich das Ziel setzt, eine bessere Kaffeemaschine zu bauen oder eine schönere, also das zu tun, was in den fünfziger Jahren mit der Auszeichnung Die Gute Form bedacht worden ist.
Wir können uns aber die Welt auch anders einteilen - und wenn ich die Pattern Language recht verstanden habe, so hat das Christopher Alexander dort versucht. Sein Schnitt liegt nicht zwischen Haus, Straße und Kiosk, um bessere Häuser, Straßen und Kioske zu bauen, sondern er scheidet den
integrierten Komplex Straßenecke gegen andere städtische Komplexe ab; denn der Kiosk lebt davon, daß mein Bus noch nicht kommt und ich eine Zeitung kaufe, und der Bus hält hier, weil mehrere Wege zusammenlaufen und die Umsteiger gleich Anschluß haben. Straßenecke ist nur die sichtbare Umschreibung des Phänomens, darüber hinaus enthält es Teile organisatorischer Systeme: Buslinien, Fahrpläne, Zeitschriftenverkauf, Ampelphasen usw.
Auch diese Einteilung der Umwelt gibt einen designerischen Impuls. Aber dieser bezieht die unsichtbaren Teile des Systems ein. Erforderlich wäre vielleicht ein vereinfachtes Zahlungssystem für Zeitschriften, damit ich den Bus nicht verfehle, während ich die Münzen hervorklaube und der Verkäufer gerade einen anderen Kunden bedient. Manche werden nun wieder ein neues Gerät vor sich sehen, einen elektronisch summenden Zeitschriftenautomaten, wir aber einen Eingriff in das System: vereinheitlichte, runde Zeitschriftenpreise, oder Zeitungs-Abonnementkarten auf Sicht - jedenfalls eine Regelung, die sich mit der Institution der Zeitschriftenverteilung befaßt.
Was sind Institutionen? Verlassen wir Christopher Alexanders Straßenecke zugunsten einer klar erfaßbaren Institution: das Krankenhaus. Was ist ein Krankenhaus? Nun, eben ein Haus mit langen Korridoren, gebohnerten Fußböden, weiß lackierten Möbeln und Wägelchen, die mit Speisegeschirr beladen sind. Diese Sicht des Krankenhauses führt wieder zum traditionellen designerischen Anspruch: Der Architekt, der Designer sind aufgerufen, Krankenhäuser zu planen mit kürzeren Korridoren, intimerer Atmosphäre, praktischeren Speisewägelchen.
Wie jedermann weiß, sind indessen die Spitäler größer, die Wege länger, die Essensangebote anonymer, die Krankenpflege ungemütlicher geworden. Denn der Architekt und der Designer durften ja nicht in die Institution eingreifen, sondern sie verbesserten Gestaltungen und Geräte innerhalb der zugeteilten Bedingungen.
Beschreiben wir also das Krankenhaus als Institution. Es ist vor allen sichtbaren Dingen ein System von Beziehungen zwischen Menschen. Auch zwischenmenschliche Systeme sind designt, entworfen, zum Teil allerdings von Geschichte und Tradition, zum andern Teil aber von heute lebenden Menschen. Wenn das Gesundheitsministerium verfügt, die Diätküche sei nicht dem medizinischen Personal, sondern der Direktion unterstellt - oder umgekehrt -, so ist dieser Beschluß ein Stück der Gestaltung der Institution.
Zunächst aber besteht das Krankenhaus aus den drei traditionellen Rollen: Arzt, Krankenschwester und Kranker. Die Schwesternrolle, assoziativ hoch aufgeladen und irgendwo zwischen Muttergottes und Ingrid Bergman, scheint klar, ist aber in Wirklichkeit höchst unklar, da sie viele ungleiche Tätigkeiten in sich vereinigt. Der Arzt, im historischen Krankenhaus eine unwichtige Figur, hat sich im 19. Jahrhundert an die Spitze manövriert, unterstützt von einem gläubig geschluckten Forschungsmythos, der über Groschen-Roman und Fernsehen dafür sorgt, daß es noch im hintersten Bezirkskrankenhaus ein bißchen nach Herztransplantation riecht. Und der Kranke? Der hat doch keine Rolle? Er ist doch einfach krank, da kann er doch nichts dafür? Also entschließen Sie sich bitte mal, ob Sie krank sein wollen oder gesund! Offenbar kann man sich dazu entschließen. Und muß: sonst geht man dem Chef auf die Nerven - dem Chef im Büro oder dem Chef im Spital. Ein Kranker liegt - bei Chodowiecki saß er noch -, oder er wandelt als Rekonvaleszent dankbar im Park herum. Jedenfalls fügt er sich dem Drei-Rollen-Spiel, das längst des Re-Design bedürfte; aber davon später.
Gibt es weitere solche Institutionen? Jawohl: die Nacht. Aber die Nacht ist doch ein Naturphänomen, die Sonne bescheint gerade die Antipoden, und bei uns ist es dunkel? Anne Cauquelin hat als erste die Hypothese vorgeschlagen: Die Nacht ist gemacht. Und in der Tat ist es menschliches Verhalten, das entlang menschgemachter Einrichtungen die Nacht so oder anders gestaltet. In der Schweiz kann ich nach 21 Uhr ruhig arbeiten und dann schlafen gehen; so spät zu telefonieren gilt als unhöflich. In Deutschland schweigt mein Telefon den ganzen Abend bis um 23 Uhr, dann kommt Leben in den Apparat; um 22 Uhr setzt der Billigtarif ein, worauf sogleich alle Überlandleitungen überlastet sind, bis man dann nach etwa einer Stunde durchkommt.
Die Nacht also, die ursprünglich wohl einmal etwas mit Dunkelheit zu tun hatte, ist ein menschgemachtes Gebilde, bestehend aus Öffnungszeiten, Schließungszeiten, Tarifen, Fahrplänen, Gewohnheiten und auch aus Straßenlampen. Wie das Krankenhaus, so hätte auch die Nacht ein Re-Design dringend nötig: Weshalb stellen die öffentlichen Verkehrsmittel ihren Betrieb gerade dann ein, wenn die Leute nach einem Glas Wein das Wirtshaus verlassen, so daß sie sich eben doch selber ans Steuer setzen? Würde nicht eine andere Organisation der Öffnungs- und Schließungszeiten jene Frauen vor Gewalt bewahren, die nachts allein zu Fuß nach Hause müssen? Muß es auch bei uns so weit kommen, daß nur noch das fahrende eigene Auto einigermaßen Sicherheit gewährt?
Wir nennen eine weitere Institution: den Haushalt. Für den traditionellen Designer ist der Haushalt eine Ansammlung von Geräten, ein Tummelplatz für den Entwurf. Was gibt es da nicht alles zu erfinden und zu verbessern: Kaffeekocher, Mixer, Spülmaschinen, um nur die Küchengeräte zu nennen. Der Entwerfer sorgt dafür, daß mit neuen Mitteln alles beim alten bleibt. Es gab um 1900 eine Bewegung zur Reform des Haushalts; die beginnende Mechanisierung forderte eine Kollektivierung, Großküchen, Wäschereien, Zentralstaubsauger wurden ausprobiert. Mit Hilfe der Kleinmotoren kamen alle diese Funktionen wieder in den Haushalt zurück. Küchengeräte dienen dazu, der Hausfrau Zeit zu sparen... Daß ich nicht lache!
Ein Untersystem der Institution Haushalt ist die Entfernung von Schmutz. Was ist Schmutz? Weshalb entfernt man ihn? Und wo ist er, wenn er angeblich entfernt worden ist? Wir wissen es alle, geben es nur nicht gern zu: Der entfernte Schmutz, zusammen mit den Reinigungsmitteln, ist die Umweltverschmutzung. Aber man muß doch putzen, Schmutz ist doch unhygienisch? Kurios, man putzte schon vor der Kenntnis der Hygiene. Und im übrigen sind die Filtermaschen der Staubsauger-Einsätze zu groß, um Bakterien zurückzuhalten. Das heißt also: Staubsauger wirbeln Bakterien lediglich auf. Schade um dieses Lieblingskind der Designer, den Staubsauger!
Aber wie putzt man denn da, wo es auf Hygiene wirklich ankommt, im Krankenhaus? Die Hygiene im Krankenhaus beruht, soviel ich sehe, auf drei Pfeilern. Der erste Pfeiler ist rein symbolischer Natur: Man hält das Blinken weißer Oberflächen und das Glänzen gebohnerter, also fettbeschmierter Böden für Sauberkeit. Der zweite Pfeiler beruht auf Antisepsis, also auf Giften: Die Bakterien sollen mit immer neuen Desinfektionsmitteln umgebracht werden. Unglücklicherweise erringt man damit aber nur temporäre Erfolge, denn es bilden sich ständig resistente Stämme, die eben durch diese Gifte selektiv gezüchtet werden. Der dritte Pfeiler beruht auf dem Absaugen: Im Gegensatz zum häuslichen Staubsauger, der den Staub im gleichen Raum wieder fliegen läßt, verteilen die Klimaanlagen und Absaugevorrichtungen der Spitäler die gefährlichen Keime in der ganzen Umgebung. Gibt es ein Mittel gegen alle diese Übelstände? Natürlich, aber es liegt nicht im Bereich der Randbedingungen der Designer! Es lautet: Re-Design des Gesundheitssystems, vor allem in Richtung auf Dezentralisation.
Wir nennen eine letzte Institution: die Produktionsstätte. Vieles wäre da zu sagen, hier nur so viel: Auch Arbeitsplätze sind gemacht, sind Gegenstand der Gestaltung. Wir meinen damit nicht, daß am Arbeitsplatz die Stühle besser gestaltet oder die Tapeten etwas freundlicher sein könnten und Topfpflanzen aufgestellt werden müßten. Gegenstand der Gestaltung ist der Abschnitt von Arbeit, der dem einzelnen zugeteilt ist, mit dem Maß an Einsatz, Wissen, Können, oder Nicht-Können, Verblödung, Langeweile, das an dieser Stelle geleistet werden muß. Alles dieses gilt nicht nur für die Produktionsstätte im engeren Sinne, die Fabrik, sondern auch für Verwaltung, Stehkragenarbeit. Die Arbeitsplätze sind gestaltet nach einer scheinbaren Produktivität, die der Kontraproduktivität schon sehr nahe steht. Die so genannte Automatisierung vernichtet Arbeitsplätze, die noch mit Befriedigung verbunden waren, und beläßt solche, die dringend der Rationalisierung bedürften. Wir können das Problem hier nur andiskutieren und müssen den Beweis für die Behauptungen schuldig bleiben. Der Sinn der Aussage ist nur dieser: Auch Arbeitsplätze sind gestaltet, nicht nur im traditionell-designerischen Sinne, sondern in der Art, wie sie Teilarbeit aus der Gesamtarbeit ausscheiden, ihr Kompetenzen zuteilen oder wegnehmen und Zusammenarbeit erzeugen oder verhindern.
Die bisherigen Ausführungen haben zeigen wollen, daß das Design eine unsichtbare Komponente hat, nämlich die institutionell-organisatorische, über welche der Designer ständig mitbestimmt, die aber durch die gängige Art der Einteilung unserer Umwelt im verborgenen bleibt. Indem nämlich die Welt nach Gegenständen eingeteilt wird und das Unsichtbare dabei als Randbedingung auftritt, wird die Welt auch gestaltet. Auch das Nicht-Verändern der Institutionen ist ja - bei sich entwickelnder technischer Gegenstandswelt eine Gestaltung: Der Röntgenapparat wird für die Bedienung durch die Röntgenschwester ausgestattet.
Im folgenden möchten wir nun schauen, ob wir mit diesen Erkenntnissen etwas anfangen können oder ob sie vielmehr nur der melancholische Beweis dafür sind, daß die Welt eben schlecht eingerichtet ist.
Jede Nachdenkerei über das Design hat sich mit zwei Phasen zu beschäftigen: mit der Phase des Entwurfs bis hin zur Produktion und mit der Phase der Konsumtion bis hin zum Ende im Mülleimer oder im Museum. Dazu zunächst je eine traditionelle Hypothese.
· Zum Entwurf: Gesucht ist das zweckmäßige Objekt, wobei man sich endlos darüber unterhalten kann, ob Zweckmäßigkeit schon von selbst identisch sei mit Schönheit oder ob der Designer die Schönheit zuzufügen habe.
· Und zur Konsumtion: Die Technik und die technischen Gegenstände sind neutral; ihr Mißbrauch kommt von den bösen Menschen. Das Werkbund-Jahrbuch von 1914 zeigte Kriegsschiffe als Gegenstände der Gestaltung, in gleicher Weise zeigte die Zeitschrift »Werk« im April 1976 die Kühltürme von Atomkraftwerken als eine reizvolle Aufgabe für Architekten.
Dazu zwei Gegenthesen als Ausgang für eine neue Beschreibung der beiden Prozesse des Entwurfs und des Verbrauchs.
· Zum Entwurf: Die Objekte erhalten ihre Gestalt durch die Interaktionen des Entwurfsprozesses.
· Und zum Verbrauch: Die Produkte wirken aktiv in die Interaktion der Gesellschaft zurück; die Dinge sind nicht neutral, sondern es gibt (Illich!) Tools for Conviviality und auch ihr Gegenteil, gesellschaftsverhindernde Dinge.
Und gleich fügen wir noch probeweise eine dritte Hypothese an; eine Hypothese zur Kontraproduktivität: Jeder neue Entwurf bewirkt im Gebrauch Änderungen, und diese Änderungen ziehen die Notwendigkeit neuer Entwürfe nach sich. Werden alle diese nacheinander sich öffnenden Probleme konventionell, nämlich als Einzelprobleme gelöst, so entsteht Kontraproduktivität. Dazu kurz ein Beispiel: Die mehrere Wohnungen bedienende Zentralheizung brachte angeblich das Bedürfnis, den individuellen Verbrauch des einzelnen Bewohners zu messen. Basierend auf der Verdunstung von Flüssigkeit wurden an den Heizkörpern Meßgeräte angebracht, was zur Folge hatte, daß jeder Mieter, wenn er ausgeht, seine Radiatoren abstellt. Die Mieter verlangen dann aber auch, daß die Zimmer gleich wieder warm werden, wenn sie die Radiatoren wieder andrehen. Infolgedessen wird das Heizwasser so heiß gehalten, daß schlußendlich jeder Mieter, auch der sparsamste, insgesamt mehr Heizkosten zu zahlen hat als zu der Zeit, als man die Kosten nur nach Anteilen und ohne Messung verrechnete.
Beginnen wir also mit dem Entwurfsprozeß. Hier stellten wir schon eingangs fest, daß der Designer die Welt einteilt nach Objekten anstatt nach Problemen. Dies beruht auf der linguistischen Determination, welche die Benennung eines Übelstandes gleich zum Gerät seiner Abhilfe macht. Indem ich beklage, daß meine elektrische Zwiebelmaschine mir zwar beim Hacken der Zwiebel eine Minute einspart, jedoch zum Reinigen wiederum zehn Minuten verbraucht, steht mir vor Augen nicht die Rückkehr zum einfachen Küchenmesser, sondern der Entwurf eines Zwiebelmaschinen-Reinigungsgerätes. Der benannte Zweck wird direkt zur Abhilfe, anstatt daß ich generell versuche, unter den Bedingungen des Mangels an Zeit wirtschaftlicher zu kochen.
Mit zu dieser direkten Verbindung zwischen Benennung und Abhilfe gehört die Stillegung der Randbedingungen: Über das zu entwerfende Gerät hinaus sollen keine technischen oder organisatorischen Veränderungen nötig werden. Erfolgreich ist, was in die bestehenden Systeme eingefügt werden kann, und seien die noch so überlastet: ein Abfall-Zerkleinerungsgerät im Ablauf des Spülbeckens, eine Reinigung des Backofens durch Überhitzung usw. Diese Art der Problemlösung hat ihre Ursache in der Stellung des Designers innerhalb der Entscheidungsgruppen: als ein im Grunde von der Verantwortung befreiter Ideenlieferant.
Ulm, gemeint ist die zu Ende der fünfziger Jahre tätige Hochschule für Gestaltung, hat wohl als erste Instanz gemerkt, daß das Design kontraproduktiv ist, doch die Ulmer Lösungen waren technokratisch. Sie beruhten auf einer radikalen Analyse des zu erfüllenden Zwecks, stellten aber den Zweck selbst nicht in einen höheren Zusammenhang. Studentenarbeiten in Ulm begannen ungefähr folgendermaßen: Die Aufgabe lautet, feste bis breiige Substanzen in Portionen von zehn bis zwanzig Gramm von einem Teller etwa dreißig Zentimeter in die Höhe zu heben und horizontal zur Mundöffnung zu schieben, wobei dann der Träger durch die Oberlippe von seiner Substanz entlastet wird... Das Resultat ist nicht etwa Charly Chaplins Eßmaschine, sondern eine etwas modernistisch gestaltete Gabel.
Inzwischen hat man wohl erkannt, daß Dinge mit so hohem Symbolwert und so geringem Anteil von Erfindung wie das Eßbesteck gar nicht Gegenstand des Design sind. Diejenigen Dinge aber, die noch zu erfinden sind, sind wohl, mindestens in ihren technischen Teilen, für den Designer zu schwierig. So muß sich das Design öffnen zu einem Soziodesign: einem Nachdenken über Problemlösungen, die dadurch entstehen, daß sowohl Rollen wie Objekte aufeinander abgestimmten Veränderungen zugeführt werden. Etwa so: eine Küche, die dazu anregt, dem Gastgeber beim Zerkleinern der Zwiebel zu helfen...
Bevor wir das Gebiet des Entwurfs verlassen und zum Verbrauch übergehen, eine kurze Zwischenbemerkung zum Verkauf und seinen verborgenen Verführern. Natürlich sind sie noch am Werk, die Marketing- und Reklamefachleute, die tiefenpsychologisch Seifenflocken verkaufen und vorgemischtes Kuchenmehl, das der Mutter ein Gefühl gibt, als stille sie die ganze Familie an der Brust. Aber auf dem Gebiet des Design hat sich doch im großen und ganzen das Fieber gelegt; ich werde mir einen neuen Eisschrank kaufen, wenn der alte nicht mehr kühlt, und nicht bloß deshalb, weil die Kante jetzt eine andere Rundung haben sollte. Auf dem Gebiet des Autos finden noch Nachhutgefechte statt; indessen erblühen auch hier die Revivals und in den übrigen Sektoren des Warenhandels kauft die Avantgarde ohnehin auf dem Flohmarkt. Der Flohmarkt wird zur Begegnungsstätte zwischen der schwindenden Verschleißbevölkerung und der wachsenden nachindustriellen Gesellschaft.
Das alles soll keineswegs heißen, daß der Fortschritt, im guten und im kontraproduktiven Sinne, etwa stillstehe. Aber der Sektor, auf dem er noch stattfindet, wird überschaubar. Neben der von ihm beherrschten Produktion für den weißen Markt wachsen der graue Markt, die Schwarzarbeit, die Eigenversorgung, der Tausch und die informelle gegenseitige Hilfe. Auch hier erzielt die weiße Produktion noch vorübergehende Erfolge: neben dem Putzmittelpotlatsch nun die Versuchung mit Hobby-Selbermach-Produkten. Das könnten aber Übergangserscheinungen sein auf dem Wege zu höherer Selbstversorgung. Ob daran alles erfreulich ist, sei dahingestellt, es droht auch die Gefahr der Verspießerung, der Isolierung; aber vielleicht sind gesellschaftliche Rückschritte unvermeidlich als Ausgangspunkt neuer Erfahrungen.
Beim Verbrauch oder Konsum wollten wir hinweisen auf die Nicht-Neutralität der Objekte. Gibt es böse Objekte? Güter sind dann schädlich, wenn sie uns von Systemen abhängig werden lassen, die uns am Ende ausplündern oder im Stich lassen. Zweifellos hängen wir alle an solchen Systemen, die uns erpreßbar werden ließen. Einfluß haben wir aber immer noch auf den Grad der Abhängigkeit. Wir sollten diejenigen Objekte meiden, die uns dazu zwingen, weitere Zusatzgeräte zu kaufen. Wir sollen den Gütern mißtrauen, die einseitige Informationswege enthalten, wenn wir wohl auch nicht mehr ohne solche auskommen. Wir sollten zurückhaltend sein im Kauf und Gebrauch solcher Güter, die isolieren. Hier ist vor allem das Auto zu nennen, das überdies die Eigenschaft hat, den Benutzer zur Rücksichtslosigkeit zu erziehen.
Das Auto hat nicht nur unsere Städte zerstört, es zerstörte auch die Gesellschaft. Da kann man lange Forschungsaufträge vergeben, weshalb die Jugendkriminalität wachse, woran es liege, daß mehr Frauen überfallen werden, weshalb Quartiere verslumen oder veröden und nachts nicht mehr zugänglich seien. Solange als Abwehr gegen das motorisierte Verbrechen eine motorisierte Polizei eingesetzt wird und dem Passanten empfohlen wird, seinerseits den Wagen zu benutzen, kann die Lösung auch ohne größere Forschung genannt werden: Die Motorisierung durch Privatwagen gab die nicht-motorisierte Bevölkerung hilflos der Unsicherheit und dem immer leistungsschwächer werdenden öffentlichen Nahverkehrssystem preis.
Dies führt zu unserer letzten Bemerkung: über Kontraproduktivität. Wir nannten das Beispiel der Messung des Wärmeverbrauchs; sie ist nur ein Ausschnitt aus der ungeheuren Kontraproduktivität des gesamten Heizungssystems, bei welchem auf jeden Fehler eine neue Abhilfe gebaut wurde, die sich wiederum als Fehler erwies, bis wir hinkamen zu unserem elektronisch gesteuerten, überhitzten, in verschwenderischer Weise auch als Boiler benutzten, auch lufthygienisch ungesunden Zentralheizungssystem, das jetzt abgelöst wird von der noch übleren Klimatisierung. Kontraproduktivität, so sagten wir, entsteht, wenn Erfindungen so eingesetzt werden, daß sich ein Bruch zum Gesamtsystem öffnet, der wiederum durch eine isolierte Erfindung zugekleistert wird. Die Summe der Nachfolgeerfindungen ergibt dann die Kontraproduktivität des Gesamtsystems.
Nochmals zum Auto: Nachdem die Durchschnittsgeschwindigkeit des Autos in Großstädten auf die des Radfahrers oder gar Fußgängers abgesunken ist, treiben die Automobilfabriken Forschungen in Hinblick auf den Nachfolger des Autos. Und was entwickeln sie? Das mit einem Zusatzgerät ausgestattete Auto, welches beim Stadteingang von einem elektronischen Kurzwellen-Fernlenksystem übernommen und seinem Ziel zugeführt wird. Oder nochmals der Staubsauger: Nachdem das Publikum gewahr wurde, daß Staubsauger um so schädlicher sind, je besser sie funktionieren, das heißt, mit je mehr Gewalt die Bakterien durch die Filter getrieben werden, sucht die Staubsaugerindustrie nach dem Nachfolgegerät, und worin besteht dieses? In einem Staubsauger, der mit einem Bakterien-Absorber ausgestattet ist.
Unsichtbares Design. Damit ist heute gemeint: das konventionelle Design, das seine Sozialfunktion selber nicht bemerkt. Damit könnte aber auch gemeint sein: ein Design von morgen, das unsichtbare Gesamtsysteme, bestehend aus Objekten und zwischenmenschlichen Beziehungen, bewußt zu berücksichtigen imstande ist.

Aus: Lucius Burckhardt: Wer plant die Planung? Architektur, Politik und Mensch, Jesko Fezer / Martin Schmitz (Hrsg.), Berlin 2004.
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Promenadologische Betrachtungen über die Wahrnehmung der Umwelt und die Aufgaben unserer Generation (1996)

Nie hat man sich so sehr um die Ästhetik der Umwelt gekümmert wie heute; nie waren so viele Kommissionen mit Bewilligungsverfahren beschäftigt, nie gab es so potente Vereinigungen zum Schutze der Umwelt, der Landschaft, der Heimat, der Denkmäler, noch nie war es so schwierig, einen Neubau in eine historische Umgebung zu setzen oder an eine Stelle, wo noch Reste früherer Gärten oder Landwirtschaft zu sehen sind. Aber trotz aller Schutzbestimmungen, Verfahren und abgelehnter Baugesuche wächst ständig die Klage über die Verhässlichung der Umwelt und die Zerstörung der Landschaft.
Meine Wissenschaft, die dieses Phänomen zu analysieren versucht, nennt sich Promenadologie. Die Promenadologie befasst sich mit den Sequenzen, in welchen der Betrachter seine Umwelt wahrnimmt. Denn wir stehen ja nicht plötzlich am Piccadilly Circus oder vor der Cancelleria, vielmehr legen wir, wie auch immer, einen Weg dorthin zurück; wir verlassen unser Hotel an der Via Nomentana oder am Pincio, wir besteigen einen Bus oder rufen ein Taxi, jüngere Leute gehen zu Fuss, wir mustern die Strassen, überqueren Plätze, gehen ein Stück weit das Corso entlang, sehen vielleicht den Palazzo Vidone, Linotte, S. Andrea della Valle, und versehen mit dieser Vorinformation reiht sich auch die
Cancelleria in das Bild von Rom. Ein Fallschirmabspringer, der in der engen und vollgeparkten Gasse vor der Cancelleria landen würde, käme zu ganz anderen
architektonischen Eindrücken als wir.
In der alten Welt, der heilen Welt, erklärte dieser promenadologisch erwanderte Kontext jeweils ergänzend das besuchte Objekt. Die Cancelleria steht nicht irgendwo, in einem Park, auf einem Hügel, an einem grossen Platz mit zwei Brunnen davor; und wenn das 19. Jahrhundert eine Cancelleria-Kopie in dieser
Weise aufgestellt hätte, dann hätte auch der dann gewählte Kontext, dann hätten die Auffahrten, Blumenbeete und Springbrunnen den Bau zu erklären geholfen: Eben als Kopie aus der Gründerzeit. Einem so von seinem Kontext gehaltenen Bau war es also relativ leicht, sich auszudrücken. Vieles ist ja schon gesagt: Wir sind in Rom und im Quartier der Nepoten-Paläste, oder: Wir sind an einem Boulevard in einem Geschäfts- und Verwaltungsquartier des 19. Jahrhunderts, oder: Wir sind in einem Park, den wir datieren können, und kommen nun zum Palast. Der architektonische Ausdruck, die Botschaft des Architekten, kann sich unter diesen Umständen auf den engen Bereich der stilistischen Erfindung beschränken; der Architekt kann das Stilideal erfüllen, oder er kann, zum Schrecken der Klassizisten und zur Freude von Robert Venturi, davon abweichen. Beide Botschaften kommen sicherlich beim Betrachter an, denn dieser ist ja durch den Spaziergang auf die Lektüre der Fassade vorbereitet.
Sprechen wir, als Promenadologen, einen Augenblick auch von der Landschaft. Im 19. Jahrhundert, im Zeitalter der Eisenbahn und ihrer Endstation, ist die Landschaft zu einem Postkartenbild zusammengeschrumpft: So
Ostende, so Scheveningen, so Interlaken, so die Insel Mont Saint-Michel. Der Spaziergang reduzierte sich auf die Wahl des Urlaubsortes, den Kauf der Fahrkarte, die Miete eines Hotelzimmers, dessen Fenster sich mit dem Postkartenbild deckte. Auch die Eisenbahnreise war auf ihre Art ein promenadologischer Kontext. Vor dem Eisenbahnzeitalter aber wurde Landschaft ganz anders erlebt: Der Weg war so wichtig wie das Ziel. Der Spaziergänger verlässt die Stadt zu Fuss oder zu Pferde, womöglich durch ein gemauertes Tor, er durchquert die Felder, sieht eine ihm fremde Bevölkerung an der Arbeit, überquert einen Fluss, betritt den Wald, erklimmt einen Hügel, er wählt einen anderen Weg zurück zu seiner Stadt, wo er abends, müde, den Seinen die Landschaft beschreibt: So ist es in Saint Germain, so ist es im Jura
von Besançon, so ist der Wald von Fontainebleau.
Vieles von dem, was der heimgekehrte Spaziergänger erzählt, hatte er nicht gesehen, und vieles von dem, was er gesehen hatte, wird in seiner Erzählung weggeblendet. Das Bild, das er beschreibt, ist montiert aus Vorkenntnissen
und Teilaspekten, die er auf dem Wege zusammengelesen hat. Dennoch ergibt sich ein ganz sicheres Wissen: Er kennt nun den Wald von Fontainebleau.
Findet er ihn schön? Natürlich, denn alles, was er unterwegs an ländlicher Wirtschaft und natürlichem Wachstum erblickt, ist schön. Die Poesie seit Teokrit und Horaz, die Malerei der alten Neapolitaner und Holländer hatten ihn auf diese Schönheit vorbereitet, ihn eingeübt.
Und noch etwas: er betrachtet diese Landschaft, im Sinne von Immanuel Kant, ohne Interesse. Interesse meint hier: Ohne die Absicht, daraus Profit zu schlagen. Weder sucht er Pilze noch einen geeigneten Ort, um einen Acker anzulegen. Vielmehr ermöglicht die Fremdheit des Städters dem Lande gegenüber die ästhetische Betrachtung.
Und nun möchte ich beschreiben, inwiefern und wieso unsere Generation, als die erste, gegenüber dem betrachteten Objekt, sei es ein Bau oder eine Landschaft, sich in einer neuen Situation befindet. Und wiederum ist die Erklärung promenadologisch: Nicht die Dinge selbst haben sich verändert, sondern der Kontext. Ich zähle einige der Veränderungen auf.
Zu vielen wichtigen Bauwerken kommt man tatsächlich auf ähnliche Weise wie der Fallschirmabspringer, nur eben von unten, nämlich aus der U-Bahn. Ich bin von der Gare de l'Est zur Station Louvre gefahren und befinde mich jetzt in der Rue de Rivoli. Wo bin ich? Was ist das? Und wie rasch verändert sich das Bild: Ich bin jetzt im Hof des Louvre, im Tuilerien-Garten. Ohne mein Vorwissen, meinen Plan, meinen gedruckten Fremdenführer komme ich nicht zurecht.
Ich parkiere mein Auto und nähere mich dem Stadtwald. Tankstellen, Fabriken, meist verlassene, ein Altgummihändler mit seinem Pneulager, ein Bauer, der von seinem Traktor aus ein weisses Pulver oder einen Dampf auf den Acker versprüht, schliesslich Bäume. Sind es ehrwürdige von der Zeit gebeugte alte Recken, oder herrscht hier das Waldsterben? Und wer ist schuld daran? Unter Umständen ich, so sagt man, insofern ich hier Auto fahre und zu Hause eine Zentralheizung habe. Und wer trinkt das Trinkwasser unter dem besprühten Acker? Auch ich. Ich bin also in das Geschehen verwickelt, keineswegs fremd und ohne Interesse, wie es Kant fordert.
Ein anderes Beispiel: Ich gehe in den Park, nehmen wir nochmals den Tuilerien-Garten. In historischen Zeiten durchquerte man die steinerne Stadt, die Stadt, in der jeder Quadratmeter ausgenützt wurde und in die der König, mit Hilfe seines Reichtums, eine grüne Oase eingefügt hat: Eben den Tuilerien Park. Ich komme also durch die steinerne Stadt, durchquere den Palast und stehe entzückt vor der kostbaren Anlage. Ganz anders präsentiert sich der Tuilerien-Garten seit dem 19. Jahrhundert: Wir kommen von den Champs Elysées, durchqueren die Anlagen, die in den Weltausstellungen entstanden sind, suchen uns zwischen Seine und Concorde einen Weg zum Eingang und befinden uns schliesslich in einer von den vorherigen Anlagen wenig abweichenden Umgebung. Das Erlebnis: „Ich betrete jetzt den Park“ ist verloren gegangen.
Und nun verlassen wir diese immerhin noch klassischen Situationen und schauen uns in jenen unendlichen Zonen um, welche wir die „Metropole“ nennen können. Es sind die Zonen, wo die Stadt gerne Land sein möchte, wo jeder, ob er nun ein Wohnhaus oder eine Fabrik errichtet, sich mit möglichst viel Grünem umgibt, und anschliessend die Zonen, wo das Land gerne Stadt werden möchte, wo jeder Bürgermeister einer Ortschaft einen Investor sucht, der ihm ein Hochhaus beschert oder mindestens einen Bahnhof mit einer unterirdischen Ebene für die Schiene, einem Fussgängergeschoss und einem Parkhochhaus. - Und nun meine Feststellung: In diesem, von den meisten Menschen bewohnten und besuchten Zonen unserer Lebenswelt ist der promenadologische Kontext, der zum Verständnis des Gesehenen führt, zusammengebrochen.
Wir sind also die erste Generation, bei welcher sich das ästhetische Erlebnis nicht automatisch einstellt. Vielmehr muss sich der Ort als ein ästhetisch gemeinter selber erklären. Wenn wir einen Park bauen, so kann sich dieser
Park nicht mehr darauf verlassen, dass wir von der Stadt durch ein Tor in einen Garten gehen und also wissen, dass wir den Park besuchen: Vielmehr muss der Park nun in seiner inneren Gestaltung begründen, inwiefern er im Kontrast zur Umgebung steht. Er muss also, ohne dass wir uns fortbewegen, uns die promenadologische Erklärung geben: Du kommst von der Stadt in den Park.
Dasselbe gilt auch von der Architektur. Sie kann sich nicht mehr darauf verlassen, dass wir schon aus ihrer Lage einen grossen Teil ihrer Bedeutung erkennen, sodass sie dann nur, durch leise Abweichungen vom Stilideal, ihre Eigenheit aussagen muss: Im Bankenviertel bringt die neue Bank eine leise abweichende Note. Nein: im Vorort, integriert in teils grüne, teils betongestützte künstliche Niveaus, muss ein klimatisierter Kubus sich zu einer mehrfachen Aussage bequemen: Ich bin im Vorort, ich bin aber was Städtisches, ich bin eine Bank, diese Bank ist aber nicht wie alle anderen…
Noch einmal: Wir sind die erste Generation, die eine neue, eine promenadologische Ästhetik aufbauen muss. Promenadologisch deshalb, weil der Anmarschweg nicht mehr selbstverständlich ist, sondern weil er im Objekt selbst, darstellend, reproduziert werden muss. Diese mehrschichtige Aussage, die ein Bau, oder im andern Fall, eine gärtnerische Anlage oder eine gepflegte Landschaft erbringen müsste, kann nicht mehr durch den Geniestreich des Schöpfers erbracht werden. Die Aussage des potenten Architekten „Wo kein Ort ist, kreiere ich selber den Ort“ reicht nicht aus; genügend solche ästhetische Kakteen stehen schon herum, ja eben sie sind es, die zu der vielfach beklagten Verhässlichung der Umwelt entscheidend beigetragen haben. Vielmehr ist
hier gestalterische Intelligenz gefragt, Intelligenz, die eben die doppelte Aussage, die Kontext-Information und die eigene des Objektes zugleich vermittelt.

Aus: Lucius Burckhardt: Warum ist Landschaft schön? - Die Spaziergangswissenschaft, Markus Ritter / Martin Schmitz (Hrsg.), Berlin 2006.
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